Passacaglia 2 - formale Gestaltungen
In diesem Tutorial lernen Sie, Variationen einer barocken Passacaglia auszuarbeiten und sich für sich für diese Variationen einen dramaturgisch sinnvollen Verlauf zu überlegen. Eine Voraussetzung für diese Anleitung sind die Kompetenzen, die Sie sich in dem Tutorial Passacaglia 1 (Grundlagen) erarbeiten konnten.
Variationen ausarbeiten
Der erste Teil der Anleitung zum Schreiben einer Passacaglia endete mit der Ausarbeitung einer (ersten) Variation zu einem gegebenen Bassthema. Der für diese Ausarbeitung gewählte Gerüstsatz ist in der folgenden Abbildung grün markiert worden:
Studiert man Passacaglien von Georg Friedrich Händel, kann man feststellen, dass das Satzbild einer Variation in der darauf folgenden nicht selten dergestalt modifiziert wird, dass das Muster der rechten Hand in der linken Hand weitergeführt wird. Das Begleitmuster kann dabei beibehalten oder modifiziert werden. Diese Technik wurde zur Erstellung der nachfolgenden Variation verwendet:
Aufgabe 1
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Nach einem solchen Variations-Pärchen führt Händel meist ein neues rhythmisches Muster ein, dass am Anfang einer Passacaglienkomposition eine beschleunigende Wirkung hat. In der nächsten Ausarbeitung übernimmt das aus einem Achtel und zwei Sechzehnteln bestehende rhythmische Motiv der rechten Hand diese Funktion:
Aufgabe 2
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
In der nächsten Variation wird dieses Muster auf die bereits erörterte Weise modifiziert:
Aufgabe 3
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Eine weitere Beschleunigung könnte in durchlaufenden Sechzehntelbewegung bestehen, die in der rechten Hand der nächsten Ausarbeitung zu sehen ist:
Aufgabe 4
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Dieser Variation folgt wiederum eine Modifikation durch Stimmtausch:
Aufgabe 5
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Kontraste und ritardierende Momente
Spätestens nach dem durchdeklinieren der Sechzehntelbewegung in der rechten und linken Hand dürfte ersichtlich werden, dass eine lineare rhythmische Beschleunigung (Viertel, Achtel, Sechzehntel usw.) über alle Variationen mechanisch und musikalisch nicht sehr sinnvoll ist. Unterbricht man allerdings die rhythmische Beschleunigung einfach nur, könnte der Spannungsabfall unmotiviert oder langweilig wirken. Aus diesem Grunde geht eine rhythmische Entschleunigung oftmals mit einem auffälligen Kontrast bzw. der Variation anderer musikalischer Parameter einher. In der folgende Variation ist zu sehen, dass die rhythmischen Bewegung zwar auf ein Anfangslevel zurückfällt (Viertel und Achtel), gleichzeitig jedoch neue musikalische Momente wie der Wechsel des Tongeschlechts und eine polyphone Verarbeitung die Aufmerksamkeit binden:
Aufgabe 6
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Nach einem solchen ritardierenden Moment kann das rhythmische Tempo wieder gesteigert werden. Die folgende Variation behält beispielsweise die Imitation bei, führt in den Oberstimmen jedoch wieder die Sechzehntel als Spielfigur ein:
Aufgabe 7
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Auch die nächste Variation wird die imitatorische Ausarbeitung der Oberstimmen beibehalten und sogar zum Kanon auf der Ebene einer Vierteilnote verdichtet (dass sich lineare Bassbewegung als Quintfallsequenz und die Oberstimmen einer Quintfallsequenz als Kanon führen lassen, kann man wissen bzw. bei einem Komponisten wie Bach studieren). Darüber hinaus wurde der Bass rhythmisiert und bringt eine weitere Möglichkeit der Variation:
Aufgabe 8
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Nach einer Anzahl von Variationen in Moll lässt sich die Gesamtform einer Passacaglia zu einer ABA-Form vervollständigen, wenn abschließend noch einige Variationen in Dur ausgearbeitet werden. Auch bei diesem Wechsel des Tongeschlechts kann eine rhythmische Entschleunigung stattfinden. Gleichzeitig ist es möglich, den Abschnitt der Schlussvariationen mit einer Bewegungsform zu verbinden, die bis dahin ausgespart worden ist, z.B. mit Triolen:
Aufgabe 9
Studieren Sie die folgende Musterlösung für die gegebene Aufgabe:
Ein Beispiel
Im Folgenden sehen Sie eine vollständige Ausarbeitung einer Passacaglia mit einer ABA-Konzeption und einer dramaturgisch sinnvollen Disposition der musikalischen Mittel (Dur/Moll, Bewegungsformen/Rhythmik, Melodie und Begleitung/Polyphonie usw.):
Materialien zur Inspiration (»loci exemplorum«):
- G.F. Händel - Passacaglia in G-Dur HWV 435
- G.F. Händel - Passacaglia in G-Dur HWV 436
- G.F. Händel - Passacaglia in g-Moll HWV 432
- J.S. Bach - ›Goldberg‹-Variationen in G-Dur BWV 988
Erstellung des Beitrags: 12. Mai 2018
Letzte Änderung des Beitrags am 15. April 2019