Dieses Tutorial wird nicht mehr gewartet und ist unter dem Titel Didaktik der Popmusik am Beispiel des Parallelismus auf der Open Music Academy für die gemeinsame Arbeit freigegeben worden.

Didaktik der Popmusik am Beispiel des Parallelismus

von Ulrich Kaiser

Das Modell

Der Parallelismus ist ein einfaches satztechnisches Modell, dass aus zwei Tonleiterausschnit (c-e und e-g) sowie einem Zick-Zack-Bass besteht. Die folgende Abbildung zeigt das Modell mit der Zick-Zack-Stimme (links) und der vom Grundton aus beginnenden Tonleiter im Bass (rechts):

Die sequenzierte phrygische Wendung Notenbeispiel 1

Ist man bereit, die Quartsextakkorde zu akzeptieren, die auftreten, wenn der auf der Terz beginnende Tonleiterauschnitt in der Unterstimme liegt, dann lässt sich das Modell als Kanon singen:

Die sequenzierte phrygische Wendung Notenbeispiel 1

Eine Alternative bestände darin, die Männerstimmen nur den dritten Dreitakter (rot, auch instrumental möglich) als Ostinato wie im Kanon von Pachelbel singen zu lassen, während die zwei Frauenstimmen die ersten beiden Dreitakter als Kanon singen.

Chromatisierungen des Modells

Die folgende Abbildung zeigt eine Chromatisierung des Modells (links) sowie die farbige Version mit grundständigen Akkorden:

Die sequenzierte phrygische Wendung Notenbeispiel 1

Eine Auswahl von Popsongs

Der Parallelismus in Verse-Formen

Bee Gees – Spicks And Specks: Der Song Spicks And Specks wurde als zweite Single der Bee Gees im Jahr 1966 veröffentlicht und in Australien, dem Heimatland der Band, ein Nummer-1-Hit. Dieser Erfolg bewirkte, dass All Of My Life von dem in Planung befindlichen Album Monday’s Rain gegen Spicks And Specks ausgetauscht und das Album nach dem erfolgreichen Titel benannt worden ist.
Formal lässt sich Spicks And Specks als Verseform verstehen, als spannungssteigerndes Moment des Songs dient die Transposition des Verse-Formteils (wie z.B. auch in Sunny von Bobby Hebb). Die Harmonik des Parallelismus ist durch die Tonrepetitionen im Klavier deutlich zu erkennen.

Modell Bee Gees - Spicks und Specks Bee Gees - Spicks und Specks

Puhdys – Wenn ein Mensch lange Zeit lebt: Dieser Song, geschrieben von dem Komponisten Peter Gotthardt für die Rockband Puhdys, wurde in dem Film Die Legende von Paul und Paula verwendet. Da dieser Film seinerzeit zu den erfolgreichsten Produktionen der DEFA-Filmstudios gehörte, wurde der Song insbesondere in der DDR sehr populär. Es ist bekannt, dass gegen Ende der 1960er Jahre die Produktion deutschsprachiger Popmusik in der DDR gefordert worden ist, um sich von der »Dekadenz« westlicher Rockmusik abzugrenzen (und sicherlich auch, um Tantiemen-Zahlungen in das kapitalistische Ausland zu verhindern). Das dürfte auch ein Grund dafür sein, warum es viele Beispiele deutschsprachiger Rockmusik aus der DDR gibt, bei denen es nicht schwer ist, prominente Vorbilder aus dem englischsprachigen Ausland auszumachen. Die Ähnlichkeit der Songs Spicks And Specks auf der einen und Wenn ein Mensch lange Zeit lebt auf der anderen ist offensichtlich:

Modell Puhdys - Wenn ein Mensch lebt Puhdys - Wenn ein Mensch lebt

Leo Sayer – The Show Must Go On: Leo Sayer war ein britischer Singer-Songwriter, der 1973 mit dem Song The Show Must Go On einen ersten großen Erfolg feiern konnte. Weitere Erfolge waren bis 1983 u.a. die beiden US-Chart-Hits You Make Me Feel Like Dancing (1976) und When I Need You (1977). Bis heute ist in Australien lebende Leo Sayer musikalisch aktiv.
Der Parallelismus prägt die gesamte harmonische Struktur des Songs, ist durch die asymmetrischen Wiederholungen jedoch nicht so offensichtlich wie in den vorangegangenen Beispielen. Die folge F-C erklingt zweimal ganztaktig, die demgegenüber kontrastierende Harmonik d-a wird beschleunigt und erklingt dreimal, die letzte Stationen nur einmal in Verbindung mit der Refrainzeile »The Show Must Go On«. Die Pause zwischen den Verse-Formteilen ist genau einen Takt lang:

Modell Leo Sayer - The Show Must Go On Puhdys - Wenn ein Mensch lebt

Der Parallelismus in Verse-Bridge-Formen

The Beatles – I Want To Hold Your Hand: Dieser Song war Lennon/MacCartney wurde 1963 als fünfte Single der Band veröffentlicht und konnte sich über Wochen in den amerikanischen, britischen und deutschen Charts an erster Stelle halten. Der Song lässt sich angemessen über die Verse-Bridge-Form verstehen, die historisch ihre Wurzeln in der amerikanischen Popularmusik vor dem Zeiten Weltkrieg hat.

Modell The Beatles - I Want To Hold Your Hand The Beatles - I Want To Hold Your Hand

Elvis Presley – Let It Be Me: Der Popsong Let It Be Me wurde ursprünglich 1955 als Je T'Appartiens veröffentlicht, gesungen von Gilbert Bécaud in französischer Sprache. Bekannt wurde der Song 1960 über die englische Version der Everly Brothers, 1964 dann in der Version mit Betty Everett und Jerry Butler und 1969 über die nachfolgende Version mit Elvis Presley. In der Aufnahme ist eine orchestrierte Fassung des Songs, gespielt von vom renommierten Royal Philharmonic Orchestra, zu hören. Der an einer Stelle chromatisierte Parallelismus prägt den Verse-Formteil:

Modell Elvis Presley - Let It Be Me Elvis Presley - Let It Be Me

Der Parallelismus in Verse-Chorus-Formen

Green Day - Basket Case: Der Rocksong Basket Case erschien 1994, war die dritte Single-Auskopplung aus dem Album Dookie und zählt heute zu den bekanntesten Songs der Punk-Rock-Band Green Day. Der Parallelismus erklingt auch in diesem schwungvollen-melodischen Rocksong in den Verse-Formteilen:

Modell Green Day - Basket Case Green Day - Basket Case

Der Parallelismus in Verse-Chorus-Bridge-Formen

Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld, hier kommt demnächst noch ein Beispiel hin...

Der Parallelismus in freien Formen

Maroon 5 - Memories: Der Song Memoires von Maroon 5 erschien 2019 und hierlt sich wochenlang in den internationalen Charts. Harmonisch und auch melodisch ist der Song stark an den Kanon von Pachelbel angelehnt, das folgende Modell lässt sich daher (transponiert) zu beiden Stücken singen:

Modell Maroon 5 - Memories Maroon 5 - Memories