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Monte - Fonte - Ponte

von Ulrich Kaiser

Joseph Riepel war ein österreichisch-deutscher Musiker, der über sein theoretisches Werk bekannt ist. In seinen Schriften finden sich die Begriffe Monte, Fonte und Ponte, die sich als Fachbegriffe der musikalischen Analyse durchgesetzt haben. Allerdings werden diese Begriffe nicht einheitlich verwendet, weswegen in diesem Tutorial erläutert wird, wie Riepel diese Begriffe ursprünglich verwendet hat und wie wir diese Begriffe in der musikalischen Analyse heute sinnvoller Weise verwenden können.

  1. Einführung
  2. Monte
  3. Fonte
  4. Ponte
  5. Bedeutung
  6. Literatur

Einführung

Die Begriffe Monte, Fonte und Ponte finden sich erstmalig in Riepels zweitem Lehrbuch, den Grundregeln zur Tonordnung insgemein [...] (kurz: Melopoeia). Dem folgenden Zitat lässt sich entnehmen, dass Riepel diesen drei Modellen seinerzeit große Bedeutung für das Komponieren beigemessen hat:

Abbildung Zitat Fonte, Monte, Ponte

Nun diese dreyerley Exempel mußt du dir merken, so lang du lebst und gesund bist. Das erste, wobey Monte stehet, fängt nach der -Cadenz in G, mit einem Schusterfleck an, welcher aber doch ein wenig varirt ist. Das zweyte (Fonte) macht nach besagter Cadenz einen Einschnitt in D Terz minor, um hiedurch eine Stuffe tieffer wieder einen Grundabsatz, nämlich in C als dem Haupttone, zu formiren, und glücklich wieder nach Hause zur -Cadenz zu kommen. Das dritte (Ponte) hebt nach mehrbemeldter Cadenz glatterdings wieder in G an, um zur -Cadenz zurücke zu kehren.

Riepel 1755, S. 44.

Darüber hinaus hat Riepel durch Kombination von Einschnitten, Absätzen und Cadenzen Modelle zur Gliederung von Menuetten seiner Zeit beschrieben. Heinrich Christoph Koch hat diese Methode einige Jahrzehnte später weiterentwickelt, die Musikwissenschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts wieder »entdeckt« und heute wird ihr für die musikalische Analyse von Kompositionen des 18. Jahrhunderts eine große Bedeutung beigemessen (vgl. hierzu Kadenzgliederung nach Heinrich Christoph Koch als Methode der Formanalyse).
Riepels einfachste Menuettform besteht aus zwei Formteilen mit vier melodische Abschnitten:

  • 1. Formteil
    • 1. Abschnitt: endet mit dem Grund-Absatz (in der Haupttonart
    • 2. Abschnitt: endet mit einem Quint-Absatz oder einer Quint-Kadenz (in Dur-Kompositionen in der Tonart der V. Stufe)
  • 2. Formteil
    • 1. Abschnitt: geprägt durch Monte, Fonte oder Ponte
    • 2. Abschnitt: endet mit einem Grundkadenz (in der Haupttonart)

Hätte Riepel mit Monte, Fonte und Ponte nur Menuette beschrieben, wäre er wahrscheinlich in Europa nicht sonderlich bekannt geworden. Jedoch merkt Riepel gleich zum Beginn seiner ersten Schrift (Anfangsgründe zur musicalischen Setzkunst [...] bzw. der sog. Rhythmopoeia) an:

Abbildung Zitat Riepel

Es ist zwar keine grosse Ehre, Menuets zu componiren, sondern eines theils wohl gar gewissenhaft. Da aber ein Menuet, der Ausführung nach, nichts anders ist als ein Concert, eine Arie, oder Simpfonie; welches du in etlichen Tagen ganz klar sehen wirst; also wollen wir immer ganz klein und verächtlich damit anfangen, um nur bloß was grösseres und lobwürdigeres daraus zu erlangen.

Riepel 1752, S. 1.

Aus diesem Grunde sind die Modelle auch für uns heute noch wertvoll, weil sie uns ein Verständnis der Formfunktionen umfangreicherer Kompositionen wie Sonaten und Sinfonien des 18. Jahrhunderts ermöglichen. Der erste Abschnitt in Riepels Menuetten korrespondiert dabei mit der Formfunktion Hauptsatz, der zweite mit den Formfunktionen Überleitung und Schlussgruppe, der dritte mit der Formfunktion Durchführung und der vierte mit der Formfunktion Reprise.

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Monte

Den Begriff Monte (von lat. mons = der Berg, für Riepel »Berg zum hinaufsteigen«) führt Riepel in der Melopoeia (1755) mit dem folgenden Beispiel ein:

Abbildung Riepel Monte

Leider sind die meisten der Beispiele in Riepels Schriften nur einstimmig abgebildet, so dass man harmonische Analyse sowie Bassstimme ergänzen muss (ein untrügliches Indiz dafür, dass Riepel mit seiner Anleitungen an ein semiprofessionelles Publikum und nicht an Anfänger gewendet hat). Die nächste Abbildung zeigt Riepels Menuett-Melodie mit einem hinzukomponierten Bass (beim Berühren der Abbildung sehen Sie die harmonische Analyse des Monte-Abschnitts):

Abbildung Monte Menuett Abbildung Monte Menuett mit Analyse

Aus harmonischer Sicht besteht Monte aus dem sekundweise aufwärts sequenzierten Quintfall ›I-IV | ii/II-V‹. Doch Riepels melodische Ausarbeitung lässt erkennen, dass er für die Sequenzharmonik einen nicht-sequenziellen Melodieverlauf wählt. Hätte er eine melodisch-harmonische Sequenz komponieren wollen (also eine Sequenzharmonik in Verbindung mit einer Sequenz von Melodie und Bassstimme), hätte seine Monte eigentlich folgendermaßen klingen müssen:

Abbildung Riepel Monte manipuliert

Dass Riepel das Modell Monte im Sinne einer melodisch-harmonischen Sequenz gering geschätzt hat, wissen seine Leserinnen und Leser bereits aus der drei Jahre zuvor erschienenen Rhythmopoeia (1752), wo er dazu anmerkt:

Abbildung Riepel Monte manipuliert

Diese zwey sogestaltete Absätze kommen auch just auf den Schlag heraus, als wie das alte bekannte Liedlein im zweiten Theile lautet, z.E. [...]
Daher werden sie von vielen (mit aller Hochachtung gesprochen) ein Schusterfleck genennet; weil sie nur etwan einem Anfänger dienen, welcher sonst keinen Gesang zu formiren weiß [...]

Riepel 1752, S. 19.

In der späteren Schrift bzw. Melopoeia gibt Riepel jedoch ein paar sehr aufschlussreiche Beispiele dafür, wie man das Monte-Modell einrichten muss, damit eine musikalisch sehr gut klingende Wendung einsteht. Eines seiner Beispiele ist das folgende:

Abbildung Riepel Monte zu Halbschluss

Riepels melodische Einrichtung bewirkt nicht weniger, als dass aus der Sequenzharmonik ›I-IV | ii/II-V‹ ein Halbschluss entsteht, also dass aus dem Sequenzmodell ein Kadenzmodell wird. Oder praktisch ausgedrückt: Ob Monte nach einer Sequenz oder einem Halbschluss klingt, ist nicht Sache der Harmonik sondern der melodischen Einrichtung der Melodie und des Basses.

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Fonte

Zur Veranschaulichung des Begriffs Fonte (von lat. fons = die Quelle, für Riepel »Brunn zum hinabsteigen«) wählt Riepel das folgende Beispiel:

Abbildung Riepel Fonte

Die folgende Abbildung zeigt das Menuett wiederum in moderner Notation, die Fonte-Harmonisierung sowie eine mögliche Bassstimme:

Abbildung Monte Menuett Abbildung Monte Menuett mit Analyse

Unter Fonte versteht Riepel eine VI-ii-V-I-Quintfallsequenz (oder auch: VI#-II-V-I) und im Gegensatz zu Monte hat er in diesem Fall auch nichts gegen die Sequenzstruktur in der Melodie einzuwenden (die einzige Unregelmäßigkeit in der Sequenzierung der Melodie besteht im T. 11 auf der Takteins, wo ›eigentlich‹ ein f'' hätte erklingen müssen).
Sowohl das Beispiel oben als auch viele weitere Beispiele in Riepels Schriften zeugen davon, dass er mit Fonte tatsächlich eine harmonisch-melodische Sequenz mit den Stufen VI-ii-V-I (gemessen an der Haupttonart) verstanden hat.

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Ponte

Der Begriff Ponte (von lat. pons = die Brücke, für Riepel »Brücke zum hinübergehen«) scheint auf den ersten Blick am wenigsten klar umrissen zu sein, bei der Einführung des Begriffs wählt Riepel das folgende Menuett-Beispiel:

Abbildung Riepel Ponte

Die nächste Abbildung zeigt auch hier die Ponte-Harmonisierung sowie eine mögliche Bassstimme:

Abbildung Monte Menuett Abbildung Monte Menuett mit Analyse

Wie dem Beispiel und dem eingangs zitierten Text zu entnehmen ist, ist für Riepel das Wesentliche an dieser Wendung, die nach der Quintkadenz in der Tonart der Quinte beginnt, dass Sie wieder zur Grundtonart zurückführt. In dem Beispiel oben geschieht das durch einen drei Takte langen G-Orgelpunkt, bevor das G-Dur im vierten Takt sich zurück nach C-Dur wendet. Natürlich könnte man den Orgelpunkt selbst als Brücke verstehen (zwischen der Dominant- und Grundtonart), allerdings dürfte das Riepel anders gesehen haben, denn er spricht davon, dass Ponte fehle, würde sich einer Passage in der Oberquinttonart direkt eine Passage in einer Nebentonart wie zum Beispiel a-Moll anschließen:

Man könnte aber solche Anfangswiederholung, sage das Ponte nach Belieben auch ganz und gar weglassen, und sich alsogleich nach der Cadenz zur Obermagd A hinwenden [...]

Riepel 1755, S. 69.

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Bedeutung

Die in Riepels Anleitungen gegebenen Beispiele zeigen sehr deutlich, wie sich die oben genannten Wendungen »verlängern« lassen und welche formale Bedeutung diesen Strukturen dadurch in größeren Kompositionen wie Sinfonien, Arien und Sonaten zukommt.
Für die Forschung sind Riepels Definitionen dabei sehr aufschlussreich und können helfen, unangemessene Interpretationen zu vermeiden (z.B. sind Erscheinungen des Hauptgedankens in Durchführungen der frühen Kompositionen Mozarts keine »Scheinreprisen«, sondern lediglich Spielarten des Ponte in Verbindung mit Motiven des Hauptgedankens). Die folgende Liste fasst die im Vorangegangenen besprochenen Ergebnisse zusammen:

  • Monte: stufenweise aufwärts führende Sequenz bzw. sekundweise aufwärts sequenzierter Quintfall. In C-Dur die Stufen I-IV-ii/II-V bzw. die Harmonien C-F / D-G, wird nicht als Sequenz (»Schusterfleck«), sondern nur in der Gestaltung eines Halbschlusses empfohlen.
  • Fonte: stufenweise abwärts führende Sequenz bzw. sekundweise abwärts sequenzierter Quintfall. In C-Dur die Stufen VI-ii-V-I bzw. A-d / G-C (wird in der Kompositionspraxis um 1860 oft in Verbindung mit einem nachfolgenden Halbschluss bzw. einer Rückführungsdominante verwendet).
  • Ponte: Orgelpunkt der Dominante oder die Harmoniefolge V-II-V-I bzw. G-D-G-C in einer Komposition in C-Dur.

Es ist empfehlenswert, Riepels Begriffe nicht weiter zu generalisieren. Würde man beispielsweise den Fonte-Begriff von den eigentlich intendierten Stufen VI-ii-V-I lösen und für jede Art von Quintfallsequenzen verwenden, wäre der Begriff seiner formfunkionalen Bedeutung für größere Kompositionen beraubt und nur noch Synonym für ein bekanntes Sequenzmodell. Dabei darf bezweifelt werden, ob immer neue Namen für bekannte satztechnische Phänomene einem Verständnis von Kompositionstechnik helfen können.

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Literatur

  • Joseph Riepel, Anfangsgründe zur musicalischen Setzkunst: nicht zwar nach alt-mathematischer Einbildungs-Art der Zirkel-Harmonisten sondern durchgehends mit sichtbaren Exempeln abgefasset. Erstes Capitel De rhythmopoeia, Regensburg und Wien 1752, Digit.-Ausg. in: Musiktheoretische Quellen 1750-1800. Gedruckte Schriften von J. Riepel, H. Chr. Koch, J. F. Daube und J. A. Scheibe, hrsg. von Ulrich Kaiser, mit einem Vorwort und einer Bibliographie von Stefan Eckert und Ulrich Kaiser, Berlin 2007.
  • Joseph Riepel, Grundregeln zur Tonordnung insgemein. Abermal Durchgehends mit musikalischen Exempeln abgefaßt und Gespräch-weise vorgetragen von Joseph Riepel, S[einer] Durchl[laucht] des Fürsten von Thurn und Taxis Kammermusicus, Frankfurt, Leipzig etc. 1755, Digit.-Ausg. s. Riepel 1752.