Der Generalbass. Eine interaktive Einführung

von Ulrich Kaiser



Unter Generalbass versteht man eine im 17. und 18. Jahrhundert verbreitete und heute noch in der Musikausbildung gepflegte Praxis. In dieser Praxis werden die Basstöne mit der linken Hand gespielt, während sogenannte Generalbassziffern unter (früher auch über) den Basstönen anzeigen, welche Töne mit der rechten Hand dazu gegriffen werden müssen. In diesem Tutorial lernen Sie die gebräuchlichsten Ziffern der Generalbasspraxis kennen. Anschließend können Sie ihr Wissen testen und das Umsetzen von Generalbassziffern mit dem interaktiven Generalbass-Tool üben.

Wann wird zu einem Basston ein Dreiklang gespielt?

Die Frage erscheint einfacher, als sie es tatsächlich ist. Denn um diese Frage zu beantworten, müssen Sie wissen, was ein mi-Charakter ist (vgl. hierzu auch Das abendländische Tonsystem). Ein mi-Charakter heißt so viel wie: »habe über dir einen Halbton und unter dir einen Ganzton«. Zu allen Basstönen einer Dur-Tonart (z.B. C-Dur), die weder einen mi-Charakter noch eine Bezifferung haben, können Sie einen einfachen Dreiklang spielen. Das heißt, in Dur können Sie zu allen Tönen außer dem III. und VII. Ton (in C-Dur also zu allen Tönen mit Ausnahme der Töne e und h) einen Dreiklang greifen (und stillschweigend die Ziffern 3 und 5 im Kopf ergänzen). In dem nachstehenden Beispiel wären also die Töne e und g zu spielen. (Wenn Sie den Leerraum unter dem Notenbeispiel berühren, sehen Sie die Ziffern, die Sie beim Spielen denken müssen):

In a-Moll werden zu den Tönen h und e übrigens auch keine einfachen Dreiklänge gespielt. Der Grund hierfür ist allerdings ein anderer, denn in Moll werden diese beiden Töne dominantisch harmonisiert. Hierfür ist in a-Moll ein gis notwendig, das unter dem e durch ein Kreuz angezeigt wird. Ein #- oder b-Vorzeichen ohne eine dazugehörige Ziffer bezieht sich immer auf die Terz eines Dreiklangs. Zu beachten ist dabei allerdings, dass mit dem # nicht unbedingt eine Erhöhung und mit einem b nicht immer eine Erniedrigung gemeint ist. Die Vorzeichen sind in dem oben erwähnten älteren Sinne zu verstehen und bezeichnen einen mi-Charakter bzw. einen fa-Charakter des Terztones (der mi-Charakter wurde oben schon erklärt und ein fa-Charakter meint: »habe unter dir einen Halbton und über dir einen Ganzton«). Modern gesprochen heißt das: Ein #-Vorzeichen zeigt einen Dur-Dreiklang an, ein b-Vorzeichen steht für einen Molldreiklang. In dem folgenden Beispiel müssen daher in der rechten Hand die Töne f und a gespielt werden:

Die erste Umkehrung: Der Sextakkord.

Töne mit einem mi-Charakter, also in C-Dur die Töne e und h, werden mit einem Sextakkord harmonisiert, wenn die Bezifferung nichts anderes vorschreibt. Bei diesen Tönen müssen daher auch Sextakkorde gespielt werden, wenn keine Ziffern zu sehen sind. Darüber hinaus zeigen den Standardfall eines Sextakkords die Ziffern 6 oder 36 an, zum Beispiel:

In den beiden oben abgebildeten Fällen kennzeichnen die Ziffern die erste Umkehrung eines d-Moll-Sextakkords. Und schließlich werden auch Sextakkorde gespielt, wenn ein Vorzeichen einen künstlichen fa-Charakter erzeugt. Findet sich also keine Bezifferung unter der folgenden Note, müsste in C-Dur auch an dieser Stelle ein Sextakkord gegriffen werden:

Der Quartsextakkord

Der Quartsextakkord kann in zwei Funktionen auftreten. Zum einen als ein Umkehrungs-Quartsextakkord, zum anderen als sogenannter Vorhalts-Quartsextakkord. In der ersten Funktion sind Quartsextakkorde sehr selten und nur in ganz bestimmten Kontexten üblich. Viel häufiger dagegen finden sich die Vorhalts-Quartsextakkorde, die Sie daran erkennen können, dass der Bezifferung 46 die Bezifferung 35 folgt, zum Beispiel:

Der Dominantseptakkord

Das charakteristische Intervall eines Dominantseptakkords ist die verminderte Quinte bzw. die übermäßige Quarte, also in C-Dur die Intervalle h-f und f-h bzw. in a-Moll die Intervalle gis-d und d-gis. Die verminderte Quinte wird im Generalbass oftmals mit der Ziffer 5b, die übermäßige Quarte mit der Ziffer 4# gekennzeichnet. Beide Ziffern sind also für den Dominantseptakkord charakteristisch, wobei auch in diesem Fall wiederum ein # nicht zwangsläufig eine Erhöhung, ein b nicht automatisch eine Erniedrigung bedeutet. Ein # nach der 4 heißt auch in diesem Fall lediglich, dass die Quarte einen mi-Charakter (also einen Halbton über und einen Ganzton unter sich) haben muss. Ein b nach der 5 weist einen fa-Charakter aus (zeigt also einen Halbton unter und einen Ganzton über dem Quintton an). Studieren Sie hierzu das folgende Beispiel:

Ob Dominantseptakkorde nur mit einer, mit zwei oder sogar drei Ziffern notiert werden, dafür gibt es leider keine Regel. Von der Bezifferung für die übrigen Septakkorde handelt der folgende Abschnitt.

Ziffern für Septakkorde

Die Ziffer für einen grundstelligen Septakkord ist die 7, wobei die 3 immer und die 5 wenn möglich stillschweigend zu ergänzen sind. Weitere Ziffern für Septakkorde sind also die 57 und die 37, mit chromatisierter Terz auch die #7 (oder #7b) oder b7 etc.). Das folgende Beispiel zeigt einige der genannten Fälle:

Die erste Umkehrung eines Septakkords (Quintsextakkord) zeigt die 56 an, wobei eine 3 zu ergänzen ist (und wie bereits erwähnt kann ein Quintsextakkord auch nur durch die 5b angezeigt werden). Die zweite Umkehrung (Terzquartakkord) wird durch die Ziffern 34 vorgeschrieben, wobei die 6 stillschweigend zu ergänzen ist (gelegentlich wird sie notiert). Die dritte Umkehrung (Sekundakkord) wird mit 2 oder 24 beziffert, wobei auch in diesem Fall eine notierte oder nur gedachte 6 dazu gegriffen werden muss.

Sicherlich ist Ihnen aufgefallen, dass bis hierher die Namen der Umkehrungen den dazugehörigen Generalbassbezifferungen entsprechen. Wenn man daher die Benennungen der Akkordumkehrungen kennt, sind einem auch die wichtigsten Ziffern der Generalbasses bekannt und umgekehrt: Kennen Sie sich in den Grundlagen des Generalbasses aus, müssen Sie die Benennung Akkordumkehrungen nicht mehr extra lernen.

Ziffern für kontrapunktische Erscheinungen

Wie es bereits im Zusammenhang mit dem Quartsextakkord angeklungen ist, verbergen sich hinter einigen Ziffern keine Akkorde, sondern Vorhalts- bzw. Stimmführungserscheinungen. Der in Kadenzen übliche Quartvorhalt 45 beispielsweise, der die Terz des folgenden Dreiklangs vorenthält, ist ein solches Phänomen. Etwas schwieriger wird es, wenn mehrere Ziffern das dahinter liegende musikalische Phänomen verdecken. Als Akkord wäre zum Beispiel die folgende Bezifferung wenig sinnvoll. Wenn Sie die Notenabbildung berühren, können Sie sehen, dass sich hinter dieser Bezifferung ein dissonanter Bassdurchgang zu einem Sextakkord verbirgt:

Durch die Bassbewegung werden die Intervalle 2-5-7 zu einem 3-6-8-Klang bzw. zu einem Sextakkord. Auch hinter der nächsten Ziffernkombination verstecken sich Vorhalte, wenn danach ein einfacher Dreiklang folgt. Dieser kann entweder über einen sekundweise fallenden Bass oder auch über einen dreifachen Vorhalt der Oberstimmen erreicht werden. Durch beide Bewegungen wird 2-4-7 zu 3-5-8-Klang bzw. zu einem grundstelligen Dreiklang:

Üben Sie sich darin, hinter den Generalbassziffern musikalische Sachverhalte zu erkennen. Wenn Sie Ihr Wissen überprüfen möchten, können Sie hierzu das folgende interaktive Generalbasstool verwenden. Wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!



Testen Sie Ihr Wissen

Welche Töne greifen Sie mit der rechten Hand in der Tonart C-Dur oder a-Moll?
Dieser Griff galt als unspielbar und wurde nicht verwendet (größer als eine Oktave). Diese Eingabe ist unvollständig, es fehlt mindestens ein richtiger Ton. In diesem Griff wird leider ein Leitton verdoppelt.
Anmerkungen:
Mit der Schaltfläche Überprüfen können Sie überprüfen, ob Ihre Eingabe richtig ist. Erscheint kein roter Text und sind nur grüne Tasten zu sehen, ist Ihre Eingabe korrekt, Gratulation! Die Schaltfläche Zurücksetzen wird Ihre Eingabe zurücksetzen, aber keine neue Übung erstellen. Dadurch können richtige Eingaben in anderen Lagen ausprobiert und fehlerhafte Eingaben korrigiert werden. Mit der Schaltfläche Neue Übung erzeugen Sie eine neue Übung.