Formenlehre II - Form durch Kadenzen
Eine unterrichtsdidaktische Ausarbeitung der hier besprochenen Beispiele für den Unterricht an allgemeinbildenden Schulen findet sich in dem OpenBook Fomenlehre der Musik (S. 13−19) von Ulrich Kaiser.
- Hörbeispiele zum OpenBook Formenlehre
- 18. Hörbeispiel: Kanons zur Kadenz
- 19. und 20. Hörbeispiel: Wolfgang Amadé Mozart, Sinfonie in A-Dur KV 201, 1. Satz, Durchführung
- 21. Hörbeispiel: Menuett Nr. 10 aus dem Nannerl-Notenbuch
- 22. Hörbeispiel: Claudio Monteverdi, Orfeo (Anfang)
- 23. und 24. Hörbeispiel: Arcangelo Corelli, Triosonate Op. 1, Nr. 1, 1. Satz
- 25. und 26 Hörbeispiel: J. H. Schein, Motette »Die mit Tränen säen«
- Weitere Hörbeispiele zur Formenlehre
Hörbeispiel 18
Kanons zur Kadenz
Die Kanons für den Ganzschluss sowie für die Halbschlüsse finden Sie hier.
Hörbeispiele 19 und 20
Wolfgang Amadé Mozart, Sinfonie in A-Dur KV 201, 1. Satz, Durchführung
Die Durchführung des Kopfsatzes der Sinfonie in A-Dur KV 201 von Mozart hat einen syntaktisch klaren Aufbau:
- Nach einer Unisono-Überleitung erklingt ein Streicherabschnitt im Piano mit Laufwerk in den hohen Streichern über einem einfachen I-V-I-Pendel in D-Dur.
- Eine Quintfallsequenz im Forte (Streichertremolo) führt zum harmonischen Ziel der Durchführung (Paralleltonart fis-Moll zur Ausgangstonart A-Dur).
- An dieser Stelle verwendet Mozart die aus Ganzschlusskadenzen bestehende Sequenz terzweise aufwärts. Die erste Kadenz erklingt in fis-Moll, die zweite in A-Dur, die dritte in cis-Moll und die vierte in E-Dur.
- Das erreichte E-Dur schließt die Durchführung die Durchführung ab und führt zurück in die Reprise (›Rückführungsdominante‹) in der Ausgangstonart A-Dur.
Bearbeitete Aufnahme aus dem Jahr 1960
in Deutschland Public Domain
Quelle: YouTube.
Hörbeispiele 21
Menuett Nr. 10 aus dem Nannerl-Notenbuch
Das Menuett Nr. 10 in D-Dur aus dem Nannerl-Notenbuch, das Mozart wahrscheinlich schon im Alter von vier Jahren spielen konnte, ist in einer bestimmten Hinsicht singulär: Zum einen erklingen in den 20 Takten des Menuetts sechs Kadenzen (vier Ganzschlüsse und zwei Halbschlüsse), zum anderen zeigen die Kadenzen vor dem Doppelstrich genau jene Disposition, die für Expositionen von Sonaten, Arien und Sinfonie besonders charakteristisch war (Ganzschluss in der Ausgangstonart sowie Halbschluss und Ganzschluss in der Nebentonart, nach Heinrich Christoph Koch ist das die Kadenzdisposition K1, K3 und K4).
Hörbeispiel 22
Claudio Monteverdi, Orfeo (Anfang)
Gleich nach dem Prolog, der festlichen Eröffnung der Oper Orfeo von Claudio Monteverdi, erklingt ein Ritornello, das aus vier Phrasen besteht. Jede Phrase wird durch einen Ganzschluss beendet, die Disposition der Kadenzen (I. Stufe − V. Stufe − III. Stufe − I. Stufe) spiegelt dabei einen Standard für Werke in Moll (der später für größere Kompositionen bedeutsamere Standard lautet I. Stufe − III. Stufe − V. Stufe − I. Stufe).
Quelle: YouTube.
Hörbeispiel 23 und 24
Arcangelo Corelli, Triosonate Op. 1, Nr. 1, 1. Satz
Arcangelo Corelli, der von 1653 bis 1713 lebte, war ein Komponist und hervorragender Violinist. Bekannt geworden sind seine Kirchen- und Kammersonate Op. 1−4, seine Violinsonaten Op. 5 sowie seine Concerti grossi. Seine Hauptwirkungsstätte war Rom unter verschiedenen Arbeitgebern (Christina von Schweden, Benedetto Pamphili und Pietro Ottoboni).
Das Grave der Triosonate Op. 1, Nr. 1 enthält fünf (nit Wiederholung sieben) Kadenzen, deren Abfolge für tonale Werke zwischen 1650 und 1850 sehr charakteristisch ist:
- die erste Phase endet mit einem Ganzschluss der Ausgangstonart (entspricht in Sonaten dem Ende des Hauptsatzes)
- die zweite Phase endet mit einem Ganzschluss der Nebentonart (entspricht in Sonaten dem Ende der Exposition)
- die dritte Phase endet mit einem Ganzschluss in der Paralleltonart (entspricht in Sonaten dem harmonischen Ziel der Durchführung in Dur-Kompositionen)
- die vierte Phase führt über einen Halbschluss zurück in die Ausgangstonart (entspricht in Sonaten der Rückführungsdominante vor der Rerpise)
- die fünfte Phase endet mit einen Ganzschluss in der Ausgangstonart (entspricht in Sonaten dem Ende der Reprise)
Die folgende Abbildung zeigt die vier bzw. fünf Ganzschlusskadenzen des Satzes:
Violine 1: Nina Meinhof, Violine 2: Annemarie Berkel
Violoncello: Julian Weiß, Generalbass: Cube Steinberg
Lizenz: CC BY-SA
Das folgende Mixing-Projekt erlaubt das Anhören des Satzes (mit und ohne Generalbass) sowie der Einzelstimmen. An den Lautsprechersymbolen lässt die Lautstärke der Einzelspuren verändern (und diese können auch stummgeschaltet werden). Der ›Start & Stopp‹−Button beginnt und beendet das Abspielen aller Spuren, der Reset-Button synchronisiert die Einzelspuren, indem er diese wieder an den Anfang zurücksetzt.
Violine 1: Nina Meinhof, Violine 2: Annemarie Berkel
Violoncello: Julian Weiß, Generalbass: Cube Steinberg
Lizenz: CC BY-SA
Hörbeispiel 25 und 26
J. H. Schein, Motette »Die mit Tränen säen«
Johann Hermann Schein gehörte neben Samuel Scheidt in Halle und Heinrich Schütz in Dresden zu den überragenden Komponisten Mitteldeutschland im frühen 17. Jahrhundert. Heute ist Schein bekannt als Schöpfer der Motettensammlung Cymbalum Sionium (1615), der geistlichen Konzerte des Opella nova (1618 und 1626) sowie der Sammlung Israelsbrünnlein (1623). Die Komposition »Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten« entstammt dieser Sammlung und ist nach Scheins Worten »auf eine sonderbar Anmutige Italian Madrigalische Manier« komponiert worden. Mit anderen Worten: Bei Scheins Kompositionen aus dem Israelisbrünnlein im Allgemeinen und bei der Vertonung des 126. Psalms) im Besonderen handelt es sich nicht um Motetten, sondern um geistliche Madrigale.
Der Kanon zum Hörenlernen verschiedener Kadenzen ist nicht einfach und sollte nur einstudiert werden, wenn die Klasse im Singen geübt ist und die Einstudierungszeit in einem angemessenen Verhältnis zum Lernerfolg steht. Besteht keine Möglichkeit zum Singen des Kanons, kann er mit den folgenden Aufnahmen auch nur vorgespielt werden, so dass eine Klangvorstellung für die zweistimmigen Kadenzen gebildet werden kann. Anschließend dient der Kanon als Lesevorlage zum Auffinden der Klauseln in der mehrstimmigen Komposition von J. H. Schein.
Beim Berühren der nachstehenden Abbildung werden die Klauseln des Kanons im mehrstimmigen Satz farbig markiert (= grün):
Quelle: YouTube.
In einer weiterführenden Unterrichtseinheit ist ein Vergleich desselben Textes (Psalm 126) durch Heinrich Schütz lohnend. Diese Mottete wird in dem OpenBook Formenlehre der Musik an anderer Stelle thematisiert.
Weitere Hörbeispiele
zum Openbook Formenlehre der Musik:
- Formenlehre I - Wiederholung, Variante, Kontrast
- Formenlehre II - Form durch Kadenzen
- Formenlehre III - Beispiele für Formen und Gattungen
- Formenlehre IV - Periode und Satz
- Formenlehre V - Lautstärkemodelle zur Sinfonie
- Formenlehre VI - Beispiele der Pop- und Rockmusik
Erstellung des Beitrags: 25. Februar 2019
Letzte Änderung des Beitrags am 26. Februar 2019